Patrick Rieve, Vicotria Neuman


Deep Time


VN: Was war der ausschlaggebende Moment oder der Grund für Skeleton Key? PR: Hier wird ein gesamter architektonischer Komplex untersucht. Abgesehen davon, dass es eine persönliche Verbindung zu diesem Haus gibt, war es bei dem Projekt Skeleton Key wichtig, dass ich den kompletten Zugriff auf alle Räume hatte und ich das Ganze als geschlossenen Organismus betrachten konnte. Also die Möglichkeit, ein ganzes Haus als kosmologische Einheit zu untersuchen oder als psychologischen Komplex, wenn ich den symbolischen Vergleich vom Haus zum Körper ziehe. (…) PR: Ja, es geht um mein direktes Umfeld. Ein Zimmer, eine Wohnung, um erfahrbare Orte, dort, wo sich meine Wahrnehmung abspielt. Ich bin tatsächlich in diesen Räumen, ich erfinde sie nicht, ich dokumentiere. VN: Von deiner subjektiven Perspektive ausgehend, z. B. deinem persönlichen Zimmer oder noch konkreter deinem direkten visuellen Wahrnehmungsfeld, versuchst du, einen erweiterten Blickwinkel einzunehmen. Architektonische Barrieren scheinen dabei offensichtlich keine Begrenzungen für die Betrachtung deiner Situation darzustellen. Es beschränkt sich nicht auf die „Schachtel“ einer Wohnsituation, sondern du wendest diese Vision von Raum wenn nötig auch auf das Sonnensystem an. Wenn ich die Zeichnungen Space in Time betrachte, denke ich an einen Aspekt, in dem deine Arbeit diskutiert wurde: Das Zimmer als Porträt der darin lebenden Person bzw. deine Zeichnungen als Selbstporträt. Kannst du mit dem Ansatz etwas anfangen? PR: Klar – Bei der Arbeit an der Serie Homework (2005–2007) stieß ich in einer Zeitung zufällig auf einen Bericht über einen relativ bekannten Profiler, also jemanden, der einen Tatort untersucht, um anhand der Spuren ein Täterprofil zu erstellen. Ich fand da viele Parallelen zu meiner Arbeit, wobei ich nicht in dem Sinne interpretiere, sondern die Räume für sich sprechen lasse. Sowohl Tatortzeichnungen als auch Kartierungen von Ausgrabungen, haben diese Nähe zu meinen Zeichnungen. Beim eigenen Zimmer ist diese Tätigkeit natürlich selbstreflexiv ... und es geht um Abstand, den ich erzeuge ... Auch sind das nicht unbedingt immer meine eigenen Räume, die ich dokumentiere. Es kann z. B. die sehr kleine Wohnung eines Freundes sein, die mich genau deshalb interessiert. (…) VN: Dennoch bleibt dem Betrachter nur die Spurensuche. Die Details, in Kombination mit der klaren, comicartigen Darstellung sind narrativ. PR: Im Gegensatz zu der Bildgeschichte eines Comics, mit festgelegter Erzählstruktur, die wie auch das Schreiben etwas Lineares und Fortschreitendes ist, geht es hier eher um eine Gleichzeitigkeit. Ich meine das ganz allgemein, denn natürlich gibt es in der Literatur wie auch im Comic Ansätze und Versuche, eine lineare Erzählstruktur aufzuheben ... In der Ausstellung setzt sich das Gesamtbild eher nach und nach zusammen ... Wobei Wahrnehmung an sich und das Abschreiten einer arrangierten Ausstellung natürlich auch ein fortschreitender Prozess ist, indem man eher subtil geleitet wird. Aber es gibt eine bedingte Offenheit, in der man aussuchen kann, was man sich zuerst ansehen möchte ... Womit wir wieder beim alten Thema sind. Wir manipulieren ja ständig Räume, nicht nur als Künstler ...

Patrick Rieve, Vicotria Neuman

Deep Time

108 Seiten

23,00 Euro

Maße: 235,0 x 170,0 cm

ISBN: 978-3-86485-069-1

Hamburg 2014